Hundliche Kommunikation

Die Kommunikation unter Hunden basiert weit mehr auf Körpersprache und Gerüchen als auf akustischen Signalen. Wir Menschen tun gut daran, uns zumindest die körpersprachlichen Ausdrucksweisen genau anzuschauen, um rechtzeitig eingreifen zu können.
Wenn Sie z. B. mit ihrem Hund spazieren gehen und er streckt die Nase in den Wind, dann ist wahrscheinlich, dass in der Richtung etwas für ihn interessantes ist.
Wenn er zudem anfängt, in die Richtung zu starren, ist da ganz sicher etwas.
Werden auch noch die Ohren nach vorne gerichtet, ist es höchste Zeit, den Hund auf sich zu konzentrieren, da sonst ein Angriff folgt, sei es zum Hetzen oder Stellen und Verbellen. Wer einen Leinenpöbler korrigieren will, muss spätestens dann eingreifen, wenn die Ohren nach vorne gehen. Legt der Hund erst einmal los, kommt jede Einwirkung zu spät.  
Eine häufige Ursache für Verständnisprobleme zwischen Hunden ist sicher der zu seltene intensive Kontakt mit Artgenossen. Auch das zu frühe Trennen von Mutter und Geschwistern wird oft als Ursache für mangelndes Sozialverhalten angesehen. Deshalb sollte die Welpen-Abgabe erst ab der zehnten Woche erfolgen.

Angezüchtete Kommunikations-Probleme

Doch auch züchterisch erwirkte Änderungen in der äußeren Erscheinung tragen zu Missverständnissen bei.
Früher ging vom Kupieren so manches zwischenhundliche Problem aus. Das sollte dank der geltenden Kupierverbote kaum noch Thema sein.
Mit Hunden, die keine Rute haben oder ihre Rute über den Rücken ringeln, hatte Aron gelegentlich Verständigungsprobleme. So meint er bei einem Spitzrüden viel eher, er sei frech und müsse untergeordnet werden, als bei einem Rüden mit respektvoll tief hängender Rute.
Meine Collies haben alle ein gewisses Kommunikations-Problem mit Hunden, deren Gesicht sich hinter viel Langhaar verbirgt, wie es bei Bobtail, Bearded Collie und Briard der Fall ist. Sie sind sehr darauf geprägt, Gesichtszüge und Lefzenbewegungen zu verfolgen. Damit dies besonders gut möglich ist, gab die Natur den meisten Wölfen und Hundeartigen schwarze Lefzen zwischen hellerem, kurzem Fell mit. Auch Collies haben dieses Merkmal noch. Spontan unfreundlich verhalten sie sich Shar-Peis gegenüber, deren faltige Gesichter sie offenbar grundsätzlich falsch verstehen, egal wie brav und ruhig diese Hunde sind. Bei Collies kommen Runzeln und Falten nur vor, wenn sie gerade ganz böse knurren und die Zähne fletschen! Insofern laufen auch Rhodesian Ridgebacks und verschiedene Molosser Gefahr, falsch verstanden zu werden.

Ein Beispiel von einem besonders armen, oft missverstandenen Shar-Pei (Tagebuch-Eintrag vom 1.5.2000):
"... Meine drei hatten sich gerade erst beruhigt, als wir einen sehr braven, fast apathisch wirkenden Shar-Pei trafen. Sein Gesicht war so zu mit Falten, dass er kaum aus seinen Augen schauen konnte. Nachdem meine Hunde erst neugierig auf ihn zugelaufen waren ('was ist denn das?'), musste ich Aron zurückziehen, weil er angegriffen hätte. Der Besitzer sagte mir, das passiere ihm laufend, obwohl er doch so lieb sei. In der letzten Woche sei er von drei verschiedenen Hunden gebissen worden. Der arme Kerl ist gerade sieben Monate alt und musste schon des Öfteren Bisswunden genäht bekommen. Dass er dabei noch nicht selbst aggressiv geworden ist, spricht sehr für das Wesen dieses Hundes. Aber was hat man ihm mit diesen dicken Falten angetan? Zusätzlich zu den oft beschriebenen Risiken, in den Falten Ekzeme zu bekommen und möglicherweise früh zu erblinden, sehe ich das Kommunikationsproblem mit anderen Hunden. Wenn ein Collie sein Gesicht in Falten zieht, ist das ein Moment, in dem er SEHR böse ist. Genau so scheint Aron sein Gesicht zu interpretieren - und nicht nur er, wie der Besitzer erzählte..."

Das Wedeln – Freude, Angst oder Provokation?

Kinder lernen: Ein Hund, der mit dem Schwanz wedelt, freut sich. Folglich sein Hunde mit langer, gerader oder wenig gebogener Rute leichter zu verstehen, als solche mit kupierter oder durch die Zucht reduzierter Rute. Leider werden die Wedelnden oft falsch verstanden. Denn das Wedeln drückt wahrhaftig nicht immer Freude aus.  
Im Gegensatz zum freudig wedelnd heranstürmenden Hund, drückt ein Hund, der mit der Spitze der eingezogenen Rute wedelt, Angst aus. Da es Hunde gibt, die aus Angst beißen, ist hier Vorsicht geboten. Es kommt immer darauf an, wie der Hund wedelt und möglicherweise bellt. Ein Hund muß auch nicht ausgiebig knurren, bevor er beißt. Manche Hunde knurren nur einen winzigen Moment, bevor sie zupacken, andere überhaupt nicht. Vielleicht wurde es ihnen verboten, zu knurren, bei dem Versuch, aggressives Verhalten zu unterbinden. Grundsätzlich ist es am sichersten, erst mit dem Besitzer über einen Hund zu reden und den Hund dabei genau zu beobachten, bevor man ihn anfasst. Rät ein Besitzer ab, sollte man sich dem Hund nicht weiter nähern. Coole Hunde, die sich von jedem streicheln lassen, bellen nicht und wedeln höchstens entspannt mit leicht gesenkter Rute.
Eine erhöht getragene, hin und her geschwenkte Rute kann dagegen eine Provokation bedeuten. Unter Rüden kommt es danach mitunter zur Rauferei. Auch ein Hund, der sein Revier verteidigen will und einen Eindringling anvisiert, kann wedeln, bevor er aggressiv wird. Geht ein fremder Mensch auf einen Hund zu, der ihn wedelnd anbellt, um ihn zu streicheln, kann sich auch der Lehrsatz "bellende Hunde beißen nicht" als falsch erweisen. 

Beschwichtigungsgesten

Es gibt eine Reihe von Signalen, die wir gerade nach einem strengen "Nein!", aber auch beim Treffen fremder Menschen und Hunde oft beobachten können, die etwas wie "Sei bitte nett zu mir, ich bin doch ganz lieb, aber ich mag nicht...!" ausdrücken.
Sogenannte Beschwichtigungssignale können folgende sein: Blinzeln, Wegschauen, Züngeln, Abwenden, Erstarren, Schnuppern am Boden, Pfote anheben, Bogen laufen, Urin absetzen oder Gähnen. Ranghöhere Rudelmitglieder werden durch diese ablenkenden Verhaltensweisen freundlich gestimmt und lassen "den Kleinen" in Ruhe.

Wir Menschen sollten unserem Hund in so einer Situation zeigen, dass wir ihn verstehen, indem wir uns ebenfalls freundlich verhalten. Vielleicht haben wir gerade etwas viel verlangt und sollten unsere Übungseinheit langsam beenden? "Mein Hund kann das jetzt nicht, weil er Stress hat!", als Ausrede bzw. Erklärung, warum ein Hund ein Kommando ignoriert, finde ich dagegen übertrieben und nicht sinnvoll. Hunde können so lernen, die Beschwichtigungssignale gezielt einzusetzen, um sich vor unliebsamen Befehlen, etwa dem "Platz!", zu drücken.

Andererseits könnten viele Beißattacken von unsicheren Hunden vermieden werden, würde man ihre Beschwichtigungssignale rechtzeitig erkennen und ernst nehmen.
 
Ein ganzes Buch zu diesem Thema verdanken wir Turid Rugaas.

Die Vorstehhaltung – immer auf'm Sprung

Hat ein Hund etwas Interessantes entdeckt, das sich nicht bewegt, verharrt er davor möglicherweise kurz in der typischen Vorsteh-Haltung mit angewinkeltem Vorderlauf, unabhängig davon, ob er der Herkunft nach als Vorstehhund gilt, oder nicht. Dieses Verhalten, das Rudelmitgliedern verrät, dass da etwas Interessantes ist, kann sofort in Hetzjagd übergehen, falls sich das Entdeckte als flüchtende Beute entpuppt. Dieses Verharren wurde bei den so genannten Vorstehhunden züchterisch gefördert, so dass die Ausbildung gerade dieser Hunde zu bestimmten Formen der Jagd vereinfacht ist. Hühnerartige Vögel, die noch am Boden sitzen, können so angezeigt und genau dann aufgescheucht werden, wenn der Jäger angelegt hat und schussbereit ist.

Geruchliche Kommunikation

Die geruchliche Kommunikation unter Hunden wird oft unterschätzt. Dass sich Hunde bei der Begrüßung gegenseitig am Hinterteil beschnuppern, dient der Information, welches Geschlecht und welchen hormonellen Status das Gegenüber gerade hat. Eine Steh-läufige Hündin wäre der Jackpot für jeden unkastrierten Rüden. Fremde gleichgeschlechtliche Hunde können als Rivalen eingestuft werden.
Sich in etwas wälzen für ein besonderes Aroma bewirkt unter Hunden Neugier und Aufmerksamkeit. Wir Menschen sind da weniger begeistert und haben oft unsere liebe Not, den Geruch wieder weg zu bekommen. Ein Beispiel lieferten Belanas Töchter mit acht Monaten (Tagebuch-Eintrag vom 20.8.2000):

"Auf dem Weg fand Arabelle stinkigen alten Mist, mit dem sie sich gern parfümiert hätte. Ich zog sie schnell weg. Im Laufe des Vormittags schafften es Arabelle und Anjin im Gelände neben dem Hundeplatz, sich dann doch so richtig in altem Mist zu wälzen. Ich lenkte sie sofort zum Bach, wo ich sie der Reihe nach untertauchte und kräftig abwusch. Sie ließen es sich brav gefallen, obwohl es ihnen mit Sicherheit nicht gefiel."

Kommunikation durch akustische Signale

Dass Hunde weit stärker als wilde Caniden über Lautäußerungen kommunizieren, mag als Anpassung an uns Menschen zu werten sein. Es ist wohl ihr Versuch, wie wir zu reden. Andererseits ist dieses Verhalten wohl auch durch die Zucht in vergangenen Jahrtausenden verstärkt worden, als man zum Schutz von Haus und Hof und bei der Jagd auf das Melden angewiesen war. Paradoxerweise fallen Hunde in ihrer heutigen menschlichen Nachbarschaft durch übermäßiges Gekläff am häufigsten in Ungnade.

Die Kommunikation unserer Collies untereinander funktioniert sehr gut. Dabei sind nicht nur Haltung und Gebärden wichtig, sondern durchaus auch die Laute, die sie hervorbringen und die wahrhaftig mehr als nur "Wuff!" bedeuten und auch sehr unterschiedlich klingen. An unseren fünf 26 Tage alten Welpen beobachtete ich ein Spiel, was ich als "gemeinsame Sprechübung" bezeichnet habe  (Tagebuch-Eintrag vom 30.12.1999):

"... Besonders niedlich fand ich während einer Spielphase die etwa drei Minuten, die sich die Welpen ganz von selbst in einen Kreis setzten, jede Handlung unterbrachen und sich mit verbalen Kommunikationsübungen befassten. Es ging offenbar darum, die gemeinsten Schimpfwörter auf seinesgleichen loszulassen. Sie übten um die Wette knurren, fauchen und bellen. Es hörte sich lustig an. Dabei erreichten die Kleinen eine schon recht beachtliche Lautstärke. Es schien allen großen Spaß zu machen. Collies sind die geborenen Krachmacher! Danach setzten sie ihre Balgereien fort."

Mit genau fünf Monaten bewies die sonst sehr ruhige Arabelle, dass sie durchaus auch mal etwas diskutieren kann  (Tagebuch-Eintrag vom 4.5.2000):

"Belana, Anjin und manchmal auch Arabelle versuchten jeden Hund, der neu ins Wartezimmer kam, erst einmal anzubellen. Arabelle ließ sich mit einem kurzen Schnauzengriff abstellen, Anjin und Belana waren hartnäckiger. Zum Glück hatte ich beide Hände frei. Wenn sie nicht von selbst die Klappe hielten, musste ich es eben tun - buchstäblich. Da wir lange warteten, kamen so einige nach uns herein. Arabelle war die einzige Kommunikationsfreudige, die die fremden Hunde, wenn sie zur Ruhe gekommen waren, mit Nasenküsschen und Spielaufforderung begrüßte. Anjin und Belana kamen nicht auf diese Idee. Sie blieben distanziert und grummelten vor sich hin. Im Großen und Ganzen war das Warten eine fast zwei-stündige 'Platz und Ruh'-Übung. Niedlich und entsprechend von allen Seiten schmunzelnd beobachtet waren Arabelles Diskussionen um mein 'Platz!', wenn sie doch so gerne noch einen Menschen oder ein Hundi kennen lernen wollte. In den Ellenbogen schon halb aufgerichtet oder sitzend, brachte sie so melodische Töne hervor, dass sie sich fast wie menschlicher Sprachfluss anhörten. Man 'verstand' weder Vokale noch Konsonanten, aber ihre Sprachmelodie war meiner durchaus ähnlich. Worum es ging war klar und deutlich zu verstehen: Ich hatte 'Platz!' geordert und sie wollte nun mal zu jemand anders hin, einen Ausflug machen. Obwohl ich sie an der Leine hielt, kam ich nicht umhin, ihr mehrere kleine Ausflüge dieser Art zu unseren unmittelbaren Nachbarn zu genehmigen. Das 'Platz!' werde ich an anderer Stelle mit ihr strenger üben müssen. Ihre kleinen Erfolge weichen den Respekt vor dem Kommando natürlich auf."

Es gibt auch ein ärgerliches "Wuff!", z. B. Anjins Kommentar zu "Laaangsaaaam!" beim Jogging oder vor dem Sacco Dog Cart (Tagebuch-Eintrag vom 27.5.2000):

"... Die Touren ohne Belana sind überraschend leise. Mir scheint, dass Gebell in der Regel von ihr inszeniert wird. Die einzigen Momente, in denen Anjin unterwegs mal kurz ein piepsiges 'Wuff!' von sich gegeben hat, waren, wenn ich 'laaaangsaaam!' orderte und den Wagen runterbremste. Diese Energieverschwendung ärgerte sie dermaßen, dass sie mal kurz was sagen und Aron vor Frust in die Mähne beißen musste! Arons Halti brauchte ich heute wie gestern kein einziges Mal. Ich bin aber überzeugt davon, dass er mein 'laaangsaam!' längst nicht so Ernst nähme, wenn er es nicht an hätte..."

Auch eine traurige Stimmung kann zu charakteristischen Lautäußerungen führen  (Tagebuch-Eintrag vom 8.11.2000):
"... Bevor ich abends mit den Hunden Gassi ging, sammelte ich die herumliegenden Knochenreste ein, für die sich nur noch Arabelle und Aron interessiert hatten. So vermeide ich, dass bei der Rückkehr Streit um einen dann vielleicht zeitgleich von zwei Hunden gefundenen Knochenrest entsteht. Als wir wieder drin waren, legte sich Arabelle mit dem Kopf in das kleine, tief liegende Regal, in das ich ihren Knochenrest kurz gelegt hatte, bevor ich ihn mit den anderen zusammen in die Küche brachte. Arabelle gab eine Art Seufzer von sich, der mit einer Art Gurren gemischt war und sehr traurig klang. Ich wurde dadurch an die weggelegten Reste erinnert, forderte 'Arabelle, in die Küche!' und gab der freudig dorthin vorlaufenden Arabelle alle Reste, schloss aber hinter ihr die Küchentür, um Neid auszuschließen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass mein Schmusekätzchen Arabelle ähnlich Belana absolut wütend werden kann, wenn es um ihr Futter geht. Mit ihren sehr deutlichen und unüberhörbaren Drohgebärden beeindruckt sie Geschwister und Eltern. Im Zweifelsfalle ist sie sogar zu einem Kampf um ihre 'Beute' bereit, jedenfalls gegenüber Bruder oder Schwester."
 Ein Schmerzlaut kann das ganze Rudel aufschrecken (Tagebuch-Eintrag vom 21.9.2000):

"... Als ich später im Wohnzimmer der alten Gladess eine schon recht vollgesaugte Zecke von einem Ohr abdrehte, fiepte sie kurz auf. Die Zecke hatte an einer empfindlichen Hautpartie gesessen. Ich weiß nicht, ob Belana und ihre Kinder ein 'Au!' oder ein mütterliches 'Hier!' verstanden, jedenfalls stürmten sie alle gleichzeitig auf uns ein, rannten sich dabei gegenseitig über den Haufen und beeilten sich, Gladess Fang und Ohren zu lecken und mit den Vorderpfoten in Gladess Mähne herumzugrabbeln. Sie gaben dabei undefinierbare Töne und Tonsequenzen von sich, die ich von ihren Begrüßungen her kenne. Ob sie Gladess nun trösten, ihr Sicherheit garantieren oder sie einfach nur begrüßen wollten, ist mir unklar. Mit so einer heftigen Reaktion auf ihr 'Au!' hatte ich jedenfalls nicht gerechnet."

Interessant ist bei unseren Hunden, wie unterschiedlich sie Aufgaben oder Spielsituationen kommentieren (Tagebuch-Eintrag vom 23.6.2001):

"... Jeder Hund bekam die Beißwurst auch einmal so geworfen, dass er sie nicht gleich finden konnte. Anders musste ich einmal nach unten schicken, weil er sich nicht die Felskante hinunter traute und vom Thema ablenken wollte, indem er noch weiter oben herumkramte, wo die Beißwurst nicht sein konnte. Anjin wollte nach einigen Minuten bei einer komplizierteren Suche aufgeben und zu mir zurückkommen. Ich schickte sie mit Fingerzeig und 'Nein. Kehrt. Such voran!' wieder hin. Einige Minuten später fand sie dann doch noch die Beißwurst und brachte mir freudig die Beute.

Anders machte kurz 'Wuff!', wenn er startete, 'Wuff!', wenn er wiederkam und 'Wuff!', wenn ich die Beißwurst annahm. Anjin quasselte mich die ganze Zeit voll. Sie verfolgte das geworfene Spielzeug spurlaut, jammerte und kläffte mir was vor, wenn sie den Gegenstand nicht gleich fand, griff ihn schließlich mit einem 'Wuff!', tat ihre Aufregung hörbar kund, wenn sie ihn brachte und ließ beim Belohnungs-Tauziehen schließlich ihr löwenartiges Kampfgeschrei hören. Arabelle sagte nichts. Die ganze Zeit keinen Ton. Dabei 'arbeitete' sie genauso flott und fröhlich, wie ihre Geschwister. In dieser Hinsicht geht sie nach dem Vater, die Tricolors dagegen nach der Mutter. Belana jagte die Beißwurst begleitet von hohen Wuffs. Ein etwas tieferes 'Wuff!' bedeutete dann, ich möge doch bitte wieder werfen. Wenn Aron auf meinen Wurf warten musste, kam von ihm auch ein solches 'Wuff!'. Warf ich nach der Abgabe schnell genug, blieb er still. Das erwartungsvolle nun-wirf-doch-Wuff stammt aus seiner Ausbildungszeit zum Rettungshund. Da haben wir 'Gib Laut!' mit solchen Erwartungssituationen geübt..."

Es sollte eigentlich ein ganz langweiliger kleiner Spaziergang werden, um endlich Anjins aufgeregtes Startgebell komplett loszuwerden, doch ich ließ mich buchstäblich bequatschen (Tagebuch-Eintrag vom 26.6.2001):

"Ich begann meine Übungen wie gestern. Anjin führte ich an der Flexileine. Sie explodierte fast vor Bewegungsdrang. Sie gab sich große Mühe, wenigstens ungefähr bei Fuß zu gehen und nicht zu ziehen, erzählte mir aber wieder die ganze Zeit irgendwas. Es war kein Bellen und kein Fiepen, kein Grummeln oder Jaulen. Das Wort 'erzählen' beschreibt ihre Lautäußerungen wirklich am besten. Es klang freudig-aufgeregt. Voller Erwartung schaute sie immer wieder an mir hoch. Sie kassierte zu jedem Stehen bleiben und 'Sitz!' brav ihre Leckerlis, aber ich sah ihr an, das war es nicht, was sie brauchte. Sie tat mir leid. Um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, suchte ich mir einen ruhigen Hangabschnitt mit schmalen, steilen Serpentinchen und stellte fest, dass wir weit und breit die einzigen waren. Obwohl ich befürchte, dass folgende Touren jetzt wieder noch aufgeregter und damit lauter beginnen werden, begann ich, ein Stöckchen in Anjins Flexileinen-Reichweite zu werfen. Sie apportierte es begeistert. Zur Belohnung machte ich ein kurzes Tauziehspiel vor dem 'Aus!' und warf erneut. Sie war so schön konzentriert auf dieses Spiel, dass ich ihr bald die Leine abhakte und sie weiter hinter dem Stöckchen her rennen und z. T. auch suchen ließ..."

Wolfsgeheule – Ruf alleingelassener Familienmitglieder

Da das wölfische Heulen eine sehr spezielle Form der hundlichen Kommunikation durch akustische Signale ist, habe ich ihm ein eigenes Kapitel mit weiteren Beispielen gewidmet. Um die Nachbarschaft niemals mit einem alleingelassenen, heulenden Hund zu nerven, ist es sehr wichtig, Trennungs-Angst, aber auch Trennungs-Übermut von Anfang an entgegenzuwirken. Schließlich wollen wir auch nicht, dass der Hund unser Weggehen zum Austoben all der sonst, während unserer Anwesenheit, verbotenen Unarten nutzt. Die Gewöhnung an das Alleinbleiben erfolgt einerseits durch Üben in kleinen Schritten. Andererseits ist es wichtig, aus dem eigenen Kommen und Gehen nichts besonderes zu machen. Abschieds-Szenen sind genauso kontraproduktiv wie überschwengliche Begrüßungen. Ein kurzer, trockener Kommentar wie: "Warten musst Du!" gehört bei unseren Hunden zum Alltag. Ignorieren wir den Hund in Abschieds- und Begrüßungs-Situationen weitestgehend, ist für die Normalität schon viel geleistet. Normalerweise können meine Hunde leise und ohne etwas zu zerstören bis über acht Stunden auf mich warten. Nur ausnahmsweise, meist in neuartigen Situationen, ertönt wolfsartiges Heulen.

Hier ein Beispiel von unserer Belana (Tagebuch-Eintrag vom 14.7.1998):

"...Als ich aus einiger Entfernung die Beißwurst auf ein Gartenhäuschen-Dach warf, stieg Belana hinauf, reichte mir die Beißwurst hinunter und erwartete, dass ich um die Häuschen herum auf die Seite käme, auf der die Leiter steht, um ihren Abstieg zu bewundern oder gegebenenfalls Hilfestellung zu leisten. Da Belana aber schon lange keine solche mehr benötigt, beschloss ich, mit Gladess solange weiter zu spielen, bis Belana von alleine herunterkäme und Gladess wieder ausspannen würde. Belana konnte mich nicht sehen oder hören. Offenbar fühlte sie sich allein gelassen. Sie begann zu heulen wie ein Wolf. Das wollte ich mir unauffällig ansehen. Also schlich ich von Belana nicht bemerkt in die Wohnung und suchte mir einen geeigneten Fensterplatz. Ich konnte jetzt Belana sehen, sie aber nicht mich. Sie stand an der Leiter auf dem Dach, hob die Schnauze so hoch sie konnte in die Luft und heulte ein zweites und ein drittes Mal richtig laut. Zwischendurch schaute sie sich nach allen Seiten um, ob ich jetzt vielleicht wiederkäme. Ich musste meinen Sohn bremsen, der fast zu ihr hingelaufen wäre. 'Wenn Du jetzt zu ihr gehst, kann es sein, dass sie demnächst jedes Alleinsein mit der Heulerei zu beenden versucht', mahnte ich. Ich holte die Schüssel mit dem Futter aus dem Kühlschrank und stellte sie vor Gladess auf die Terrasse, die schon mal zu fressen begann. Belana konnte das nicht wissen. Da sie jetzt aber ganz allein die Leiter hinunter gestiegen war, freute sie sich doppelt, als sie außer uns auch den gefüllten Napf vorfand."

Und noch mal Belana in einer für sie neuen Situation (Tagebuch-Eintrag vom 17.01.2000):

"...Aron durfte meine Mutter und mich zur Post begleiten. Die anderen Hunde ließen wir zu Hause bzw. die großen Hündinnen im Garten. Belana bemerkte uns jedoch und rannte auf der Innenseite des Zaunes soweit mit, wie sie konnte. Sie war so aufgeregt, dass ich schon meinte, sie würde gleich über den 1,40 m Zaun springen und uns nachlaufen. Ich gab ihr auf: 'Nein, warte. Belana muss warten!' Sie kennt das Kommando. Ich gebe es meist in der Wohnung, wenn ich die Hunde alleine lasse. Sie fügte sich ungern. Aus Protest blieb sie auf der Ecke des Gartens sitzen und begann zu heulen wie ein Wolf. Ich war überzeugt, dass mein Mann sie hören und gleich in die Wohnung rufen würde. Dem war aber nicht so. Als wir eine Viertel-Stunde später erneut an der Ecke ankamen, heulte sie noch immer in der Sitzposition, die Nase gen Himmel gereckt. Sobald sie uns bemerkte, verstummte sie, bzw. löste das Kontaktheulen durch Begrüßungsfiepen ab. Auf das Geheule angesprochen, meinte mein Mann, er habe es zwar laut und deutlich gehört, jedoch nicht Belana zugeordnet. Er hatte es noch nie gehört..."

Auch Belanas Töchter Arabelle und Anjin heulten manchmal so, wenn sie sich allein gelassen fühlten. Wenn ich etwa mit einem anderen Rudelmitglied zu einer Einzelübung aufbrach und nun gerade dieses Töchterchen in der Wohnung oder auf einem Ablegeplatz draußen warten musste.

Erfolgreiches Wolfsgeheule der zwei Monate jungen Arabelle ist im Tagebuch-Eintrag vom 17.2.2000 dokumentiert. Aron holte sie zu uns zurück:

"Auf unserem heutigen Abendspaziergang kam uns wieder der mürrische alte Mann mit dem netten Schweizer Sennenhund (Entlebucher, um genau zu sein) entgegen. Ich hab die Großen beiseite gelenkt und mit einem 'Hier!' in meiner Nähe gehalten, damit der Mann mit seinem Hund unbehelligt durchkommen sollte. Drei von vier Welpen blieben bei mir und den Großen. Nur Arabelle nicht. Vielleicht, weil er so gezeichnet ist, wie Gladess, vielleicht auch, weil er so gutmütig ist, wie Gladess, musste Arabelle unbedingt zu ihm hin. Darin unterscheidet sie sich von den Geschwistern. Die hielten die Ruten hoch und begannen in Richtung des Fremden zu kläffen. Wenn die Großen und ich von etwas Abstand halten, muss es gefährlich sein... Arabelle hüpfte unterdessen am Gesicht des Schweizer Hundes hoch und rannte mit ihm. Der Besitzer moserte irgendwas unverständliches, was ich besser gar nicht erst verstanden habe und ging zügig weiter. Arabelle mit ihm. Die Großen und Kleinen um mich bellten, ich rief wiederholt "Hier, hier, hier!" und "Schnell, schnell Arabelle!", was ich speziell ihr gegenüber eingeführt habe, weil sie ja öfter mal hinter uns herbummelt und sowieso immer andere Dinge interessanter findet. Aron blieb bei mir, solange Arabelle dicht bei dem Schweizer Hund lief. Irgendwann bemerkte sie, dass sie ihren Familienanschluss verloren hatte. Sie war so weit weg, dass ich sie zwar noch gut erkennen konnte, sie uns aber nicht mehr. Weil sie offenbar wirklich die Orientierung verloren hatte, setzte sie sich auf den Weg, reckte die Schnauzenspitze so hoch sie konnte und begann zu heulen. Da jetzt einige Meter Abstand zum Schweizer Hund entstanden waren, galoppierte Aron los. Mein 'Hier!'  hatte er sehr richtig auf den Schweizer Hund bezogen. Er sauste dicht an Arabelle vorbei, so dass ich einen Moment lang dachte, er wolle nun doch den Schweizer attackieren, machte aber unmittelbar hinter ihm kehrt und kam nun mit angelegten Ohren und gesenktem Kopf auf Arabelle zugeschossen. Diese ergriff mit eingezogener Rute die Flucht. Geschickt scheuchte Aron das kleine Dummerchen genau zu uns, wie ein kleines Schäfchen! Ich liebe diesen Hund!"

Als unsere Jüngsten elf Monate alt waren, ergab sich eine weitere Situation, die Arabelle zum Heulen fand (Tagebuch-Eintrag vom 8.11.2000):

"Vormittags waren unsere Hunde erst zum Spielen im Garten und dann allein zu Hause im Wohnzimmer. Gegen Mittag waren wir zurück. Ich musste aber gleich wieder los. Da die Hunde diesmal nicht allein zu Hause waren, ließ ich sie im Garten. Wie auch immer, Arabelle muss von dort aus meinen Start mitbekommen haben. Wie mir nach meiner Rückkehr berichtet wurde, hatte sie sich unmittelbar nach meinem Verschwinden auf die Terrasse gesetzt und wie ein Wolf geheult, bis man es ihr verboten hat. Vielleicht hatte sie den Motor meines Autos erkannt und mir klar machen wollen, dass ich ja wohl das Wichtigste vergessen hab: Meine Hunde! Dieses Kontakt-Heulen hat Belana auch schon oft gezeigt. Nachmittags musste ich mein Rudel für noch einen Einkauf kurz ganz allein lassen. Dafür holte ich wieder alle ins Wohnzimmer. Mit einem 'Warten müsst ihr!' ging ich weg. Ich denke, dass sie dieses Ritual inzwischen gut genug kennen, um wirklich gelassen auf meine Rückkehr zu warten.

Als ich wiederkam, war jedenfalls alles ruhig, bis ich auf einer Terrasse den Einkauf abstellte und dabei natürlich von meinen aufmerksamen Hunden bemerkt wurde. Da ich die Terrassentür nicht von außen öffnen kann, musste ich um das Haus herum, verließ also noch einmal kurz meine Hunde. Jetzt ging das Gefiepe, Geheule und Gejaule los, das andauerte, bis ich endlich bei ihnen war..."
Bei Aron und Anders habe ich dagegen Kontakt-Bellen beobachtet. So sollte Aron eines Tages auf einer hochalpinen Wanderung vor einer Alpenvereins-Hütte draußen neben Gladess schlafen, während wir drinnen unsere Bettchen hatten. Solange wir abends unten in der Gaststube saßen und ich gelegentlich nach meinen Hunden sah, war Arons Welt noch in Ordnung. Als es in der Gaststube jedoch dunkel und leise wurde, begann Aron leise "Wuff?" zu fragen. Er wartete eine Weile. Da es keine Antwort gab, folgte das nächste vorsichtige "Wuff?" Die Abstände verkürzten sich allmählich, sein "Wuff!?" wurde energischer. Ich musste etwas unternehmen. Mit Knabberkram ließ er sich für eine halbe Stunde ablenken. Dann ging sein Kontakt-Bellen von vorne los. Verbieten ließ er es sich für genau fünf Minuten. Dann begann er wieder. Schließlich nahm ich meinen Schlafsack und legte mich neben ihn auf die Wiese unter den sternklaren Himmel, an dem ich sogar zwei Sternschnuppen sah, während die großen Kuhglocken in unserer Nähe bimmelten und Aron zu beunruhigen schienen. Trotzdem war er glücklich, mich bei sich zu haben, kuschelte sich an meinen Schlafsack und blieb sogar fast leise, als eine bellende Gemse in einiger Entfernung zu hören war. Es ist so ein merkwürdig schauriges Bellen, das ihn und mich durchaus aufgescheucht hat. Gladess war so streng erzogen, dass sie keinen Protest gewagt hatte. Für sie war es auch nicht die erste Nacht alleine draußen in fremder Umgebung. Sie hatte längst das Vertrauen, das wir bald wieder bei ihr sein würden. Als Gesellschaft für Aron war sie hier nicht genug, da sie rangordnungsmäßig unter ihm stand.

Arabelle verpetzte einmal die ausgebüchste Anjin durch ihr Wolfsgeheule (Tagebuch-Eintrag vom 25.8.2001):

"Kurz nachdem ich die Hunde zum so-und-sovielten Male heute spät nachmittags ins Freigehege entließ, erklang vom oberen Ende Wolfsgeheule. Belana stand auf dem Gang vor der Freigehegetür und wollte schon wieder rein. Sie konnte es nicht gewesen sein. Also war es Arabelle. Die anderen drei Rudelmitglieder heulen grundsätzlich nicht. Mich beschlich so ein Verdacht. Ich rief die Hunde. Anders und Arabelle wirkten aufgeregt. Anjin fehlte. Ich rief speziell Anjin und gab dann Aron auf, sie zu holen. Er hob erst nur die Nase und machte 'Wuff!' - seine Art, seine Kinder zu rufen. Als Anjin aber auch daraufhin nicht kam, trabte er durchs Gebüsch und begann, sie zu suchen. Da erschien Anjin am Gartentörchen, außerhalb unseres Grundstücks. Auch sie wirkte aufgeregt. Ich beeilte mich, ihr zu öffnen. 'Da bist du ja, Anjin', kommentierte ich ihr Hereinkommen. Ich verzichtete sowohl auf Lob als auf Strafe, denn einerseits will ich kein nettes Spiel kreieren und andererseits soll ihr das nach Hause Kommen nicht verleidet werden. Offenbar hatte meine Baumrettungsaktion vom Mittwoch nun doch eine undichte Stelle im Zaun produziert, die natürlich von Anjin ausprobiert werden musste. Gut, dass Anjin außerhalb unseres Grundstücks niemanden traf. Sie hätte ihn wahrscheinlich mit Rawau erschreckt. Ich holte alle Hunde in die Wohnung und suchte die undichte Stelle. Schließlich fand ich sie. Die Zaunspannung war gerade da sehr gering geworden, wo wir im Winter oft das Grundstück nach oben verließen. Die Stelle ist zwar sehr steil, aber gerade deshalb wird Anjin es geschafft haben, den Zaun mit Anlauf und Hineinspringen an den dahinter liegenden Hang anzulegen und konnte so durch die Zaunmaschen hindurch greifen und hinaufklettern. Kein Wunder, dass Anjin mal wieder die einzige war, die stiften ging. Für die anderen fehlte es an Mut oder Motivation, sich auf so eine Aktion einzulassen. Ich befestigte den Zaun mit einigen Drahtstücken nun so an den dicksten Ästen der Bäume rechts und links der Ausbruchsstelle, dass die Spannung wieder hergestellt war. Arabelles Heulen bedeutete danach so etwas wie 'Du kannst uns doch hier nicht allein lassen!'. Belana beschwerte sich ja auch schon öfter auf diese Weise, wenn ich wegging und sie zurückließ, zum Beispiel im ehemaligen Garten in Düsseldorf, um ohne Hunde einkaufen zu gehen. Insofern hat Arabelle Anjin verpetzt. Wir wissen nun, was es bedeutet, wenn dieses Heulen im Freigehege ertönt. Gut, dass Anders und Arabelle im Vergleich zu unserer draufgängerischen Anjin rechte Zimpermimis sind. Schon zu zweit hätte ein etwas weiterer Ausflug vielleicht Spaß gemacht. Immerhin hat Arons Mutter mit ihrer Tochter Annie in deren kurzem Leben mehr als einmal den Hassler Forst unsicher gemacht. Arons Wurfschwester Annie kam mit 13 Monaten auf der A 59 bei Düsseldorf-Garath ums Leben. Anjin gleicht in Farbe, Körperbau und Charakter ziemlich genau Arons Mutter..."

Ohne Dressur erlernte Begriffe

Hunde sind sehr sensibel und lernen weit mehr Elemente aus unserer Sprache verstehen, als wir ihnen bewusst andressieren. Trotzdem ist es natürlich übertrieben, wenn jemand behauptet: "Mein Hund versteht jedes Wort."

Meine Hunde springen grundsätzlich freudig auf, wenn ein Wort wie "Rausgehen" oder auch nur "raus" in einem Satz vorkommt. Ein ähnlich wirkender Schlüsselreiz ist das Hervorholen der Schuhe, mit denen ich Hunde ausführe. Auch diesen Zusammenhang haben sie sehr richtig verstanden.

Mitunter ist es wichtig, solche Schlüsselreize ausfindig zu machen und zu umgehen, wenn man an einer Verhaltenskorrektur arbeitet.
Ein Wort, das meine Hunde richtig interpretieren gelernt haben, ist das Wort "Besuch" (Tagebuch-Eintrag vom 25.10.2001):
"Heute Nachmittag hatte sich Besuch angekündigt. Als wir aus dem Tal einen Anruf bekamen, der Besuch sei eingetroffen, war uns klar, er müsse in etwa zehn Minuten bei uns oben sein. Unser Besuch gehört zur Familie und ist den Hunden von klein auf bekannt. Trotzdem überlegten wir, ob es nicht angemessen sei, die Hunde abzulegen, während der Besuch hereingeholt werden würde, um ein spontanes Anspringen von mehreren Hunden gleichzeitig zu vermeiden. Um den Hunden gegenüber zu begründen, warum sie sich alle nebeneinander im Wohnzimmer still hinlegen sollten, sagte ich nach dem zunächst einfach durchzusetzenden 'Platz!' kurz: 'Wir bekommen gleich Besuch.' Das war der Moment, in dem sie alle kläffend aufsprangen und völlig außer Rand und Band zur Tür sausten. 'Gut, dass jetzt noch kein Besuch eingetroffen ist', dachte ich und orderte die Hunde streng zurück auf ihre Plätze. Die 'Platz'-Ordnung wieder herzustellen war schon nicht ganz einfach, das 'Ruh!' dazu durchzusetzen noch weniger. Schließlich lagen alle mit gespitzten Öhrchen die Tür beobachtend angespannt nebeneinander. So warteten wir. Wir warteten länger, als geplant. Unser Besuch war im Tal noch beim Bäcker gewesen und hatte uns Kuchen geholt. Als er endlich ankam, half mein Sohn mir, Anjin und Arabelle auf ihren Plätzen möglichst ruhig zu halten, während ich abwechselnd Aron, Belana und Anders die Schnauzen zuhalten konnte. Als der Besuch erkannt war und sich gesetzt hatte, durften die Hunde aufstehen und den Besuch begrüßen, was sie auch stürmisch taten..."

Hilfe anfordern

Aron ist ein überaus hilfsbereiter Hund. Er half früher der etwas verwirrten, langsamen, alten Gladess, uns zu finden. Er half Belana oft ihr Spielzeug aus einem Gebüsch oder Baum zu holen. Belana andererseits gewöhnte sich an, seine Hilfe anzufordern.
Ein Beispiel liefert der Eintrag in Belanas Tagebuch vom 13.2.1998, als sie sieben Monate alt war:

"Der Tag verlief wie der gestrige, mit dem Unterschied, dass Belana abends auch in der Wohnung mit einem Tennisbällchen spielte. Dieser rollte unter einen Wohnzimmerschrank, so dass sie ihn weder mit ihrer Schnauze, noch mit ihren Pfoten erreichen konnte. Nachdem sie eine Weile vergeblich versucht hatte, sich platt wie eine Flunder zu machen, begann sie zu jammern und zu nörgeln. Sie steckte zwar nicht fest, brauchte aber Hilfe, um ans Ziel zu kommen. Sofort war Aron zur Stelle, der zwar längere Vorderläufe hat, jedoch noch breiter und damit ungeschickter gebaut ist. Er hatte jedenfalls auch kein Glück. Belana nörgelte immer lauter. Es war ein drolliges Nörgeln, so gar nicht hundetypisch, mehr, als ob eine Siamkatze rollig würde. Ich stand auf und organisierte ihr das Bällchen. Belana war glücklich. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Entscheidung war, auf ihr Nörgeln einzugehen. Sie könnte daraus schließen, dass sie sich durch Lautstärke auch in anderen Situationen Hilfe herbeirufen kann."

Tagebuch-Eintrag vom 7.7.1998:

"Freies bei Fuß gehen wiederholte ich mit Belana, aber im Vordergrund standen die Spielchen. Aron hielt sich meist im Hintergrund. Er beobachtete unsere Spielchen genau und wusste sofort, wenn Belana Hilfe brauchte. Dann erst interessierte er sich dafür, für sie den Gegenstand zu finden. Das äußerte sich dann meist darin, dass er am Fundstück stehen blieb, fast wie ein Vorstehhund, mit der Nase auf den Gegenstand zeigend. Die kleine Belana, die in einem unaufmerksamen Moment nicht mitbekommen hatte, wohin die Beißwurst geflogen war, verstand Arons Hilfestellung sofort. Sie sauste zu ihm, schnappte sich die Beißwurst und veranlasste mich, das Spiel fortzusetzen. Einmal verfing sich die Beißwurst jedoch in einem breiten, bis 2 m hohen Gebüschstreifen. Sie hing zwar nicht sehr hoch, aber mittendrin. Wir suchten eine ganze Weile gemeinsam, weil sie erst überhaupt nicht zu sehen war. Auch Aron schien ratlos vor dem Gebüsch zu stehen. Offenbar ein Missverständnis. Denn als wir minutenlang alle nicht auf ihn reagierten, sprang er plötzlich aus dem Stand in das Gebüsch. Es sah urkomisch aus. Er hing mit allen Läufen im Geäst, hoch über dem Boden. Doch wenige cm vor seiner Schnauze hing die Beißwurst! Ich lief zu ihm, um ihm zu helfen, doch er hatte sich bereits frei gestrampelt, als ich ankam. Zufrieden beobachtete er, wie ich die Beißwurst aus den Zweigen nahm. Belana freute sich riesig. Mitspielen wollte Aron auch diesmal nicht. Es genügte ihm, dass seine dummen Weibis weiterspielten."

Andererseits forderte auch Aron gelegentlich Hilfe an (Tagebuch-Eintrag vom 6.5.1998):

"Am Nachmittag beobachtete ich folgende Situation: Aron fand eine Katze, die sich in unserem dichten Zwergmispelgestrüpp versteckt hielt. Er steckte seinen Kopf ins Gestrüpp - es fauchte. Er rannte ganz aufgeregt quer durch den Garten zu Belana, stupste sie euphorisch an, machte auf der Hinterhand kehrt und sauste mit ihr gemeinsam an die fauchende Stelle des Gebüschs zurück. Während Belana ihren Kopf ins Gebüsch steckte und durch Wedeln kundtat, dass sie die Katze vor sich hatte, sauste Aron halb um den Busch herum und blieb mit erwartungsvoll erhobener Rute und gespitzten Öhrchen in Startposition stehen. Belana krabbelte halb in den Busch. Die Katze nahm Reißaus. Wie Aron geplant hatte, sauste sie direkt an seiner Nase vorbei. Er übernahm sofort begeistert die Verfolgung, während Belana erst einmal aus dem Busch herauskommen und halb um ihn herum musste. Ihr gegenüber hatte die Katze einen deutlichen Vorsprung. Aron dagegen war unmittelbar hinter ihr. Die Katze wurde quer durch den Garten gescheucht und rettete sich - wie immer - über den Zaun."

Alles hat seine Grenzen – Arons Hilfsbereitschaft auch (Eintrag vom 29.8.1998):

" ...Ich hängte nach 'Schluss!' das Apportierstöckchen hoch genug in einen Baum, so dass die Hunde nicht dran kamen. Abends beobachtete ich, wie Belana versuchte, an das Stöckchen heranzukommen. Sie hüpfte hoch, kam aber wegen der Zweige nicht hoch genug. Nach mehreren Versuchen gab sie auf. Da die Hunde allein im Garten waren, konnte sie mich nicht um Hilfe bitten. Stattdessen lief sie aufgeregt zu Aron, der eigentlich schlafen wollte. Aron sprang auf und folgte ihr mit hoch getragener Rute. Belana schien eine Katze entdeckt zu haben. Am Baum dann die Enttäuschung: Aron erkannte, dass Belana nur ein Stöckchen haben wollte. Die Rute hing wieder tiefer. Nach zwei trägen Versuchen, an das Stöckchen zu kommen, legte sich Aron wieder schlafen. Ich ging in den Garten und holte der nun ratlos unter dem Baum stehenden Belana ihr Spielzeug herunter."

Weitere Beispiele registrierte ich, als unser A-Wurf gerade sechs Monate alt war (Tagebuch-Eintrag vom 5.6.2000):

"...Interessant ist bei der Rudel-Haltung, wie sich die Hunde gegenseitig helfen. Die empfindliche, kleine Arabelle zeigte z. B. der großen, unempfindlichen Gladess, wo der Ball ins Brombeergeschüsch gehüpft ist. Gladess holte ihn raus und brachte ihn zu mir.
Anjin holt mir Arabelle aus dem Garten, wenn ich 'Arabelle!' rufe. Sie holt mir auch Gladess, wenn ich 'Gladess!' rufe, was ja eigentlich Quatsch ist, da Gladess schon lange taub ist. Das ist wirklich niedlich. Ob sie es hinbekommt, mir Aron oder Belana hereinzuholen, habe ich noch nicht ausprobiert. Vielleicht funktioniert es genauso. Vielleicht auch nicht, wegen der Rangordnungsunterschiede. Aron holt mir jedes vier-pfotige Familienmitglied nach Bedarf. Mit hoch erhobener Rute signalisierte Arabelle in der Abenddämmerung den anderen, dass sie etwas Interessantes entdeckt hat: Einen Igel. Sofort versammelten sich alle um das Tierchen, das sich zu recht einigelte..."

Katzen sorgen bei Hunden, die ohne Katzen leben, immer für große Aufregung (Tagebuch-Eintrag vom 23.4.2001):
"Wenn Aron sich von selbst für die Gittertreppe interessiert, ist es besser, das Rudel hereinzurufen. Denn, wenn Aron tatsächlich eine Katzenfährte findet, lädt er seine Untertanen zur Jagd ein und dann wird es laut rund um die Gittertreppe!"
Die jungen Hunde gingen aber noch nicht auf die Gittertreppe (Tagebuch-Eintrag vom 25.4.2001):

"Auch wenn Aron zur Jagd einlädt, weil er eine Katzenfährte auf der Gittertreppe gefunden hat, hüpfen die Junghunde lieber in der steilen Felswand herum, als dass sie das Metallgitter betreten. Sie haben es nicht gelernt. Für alles, was in der Natur den Durchblick nach unten frei gibt, gilt: Man könnte abstürzen. Sie verhalten sich also instinktiv richtig. Aron und Belana wurde das begehen solcher Treppen früher beigebracht. Ansonsten gilt auch für sie: 'Hunde gehen nicht auf Bäume!'''
Und noch eine Erwähnung dieser Art (Tagebuch-Eintrag vom 8.5.2001):

"Heute bemerkte Anjin den Katzengeruch zuerst und eröffnete mit aufgeregt klingenden Geräuschen und der uns gut bekannten 'Ich hab was entdeckt!'-Haltung mit hoch getragener Rute und steil aufgestellten Ohren die Jagd. Plötzlich versammelten sich alle lautstark im Bereich der Gittertreppe, sausten hin und her, Treppe und Felswand rauf und runter, doch die Katze hatte sich längst in Sicherheit gebracht."

Durch das Vorbild der Eltern überwand unser damals einjähriger Nachwuchs schnell von selbst jede Scheu und betrat die Gittertreppe fortan genauso selbstverständlich.

Beim "Bitte öffnen"-Kratzen an der Tür darf man sich fragen, ob Gassigehen jetzt wirklich nötig sein kann oder ob es wohl einen anderen Grund gibt (Tagebuch-Eintrag vom 26.9.2001):

"Arabelle forderte mich über Tage mehrmals auf, sie hinaus zu lassen, indem sie an der Tür zum Flur kratzte. Sie hatte es durchaus nicht unbedingt nötig. Sie fand es draußen interessanter als drinnen. Das war oft der Grund. Also ging ich dazu über, auch einmal 'Nein' zu sagen und ihr Kratzen zu ignorieren. Sie legte sich dann an die Tür und wartete brav..."