
Als Auslöser für aggressives Verhalten kommt bei Hunden so einiges infrage. Streit um Ressourcen wie z. B. Futter, Spielzeug oder Territorium, Frustration, Eifersucht und Rivalität kommen ebenso vor wie Angriffe auf respektlos erscheinende Artgenossen, (vermeintliche) Feinde oder Beute. Mitunter verwechseln Anfänger in der Hundeszene welpenhaftes Spielverhalten mit aggressivem Verhalten. Ein zu heftiges Spiel des Welpen gehört natürlich trotzdem herunter gefahren. Andererseits liegt manch eine Hundeführer mit seinem: "Der will doch nur spielen!" in Begegnungssituationen mit fremden Menschen auch daneben, da sich sein Junghund gerade zum wehrtriebstarken, selbsternannten Verteidiger der Gassigeh-Region wandelt.
Betrachten wir einmal genauer, wie ein älterer, ranghöherer Hund einem Junghund Einhalt gebietet, der gerade eingezogen ist.
Der ältere Hund liegt vielleicht auf seinem Lieblingsplatz und will seine Ruhe haben. Der junge Hund kommt ihm – aus seiner Sicht – zu nahe. Der ältere Hund signalisiert mit Drohfixieren und leisem Knurren: "Wage es nicht, mir näher zu kommen!" - noch ist die Ampel GRÜN. Hat der junge Hund genügend Respekt, wird er sich abwenden und woanders hingehen.
Vielleicht nimmt er die Drohung aber auch nicht ernst und macht die nächsten Schritte auf das Lager des alten Hundes zu. Nun wird sich der alte Hund erheben, vielleicht sogar einen Satz nach vorne auf den Jungspunt zu machen, die Lefzen hochziehen und deutlicher knurren: "Ich bin hier Chef! Hab was gesagt! Komm noch einen Schritt näher und ich zeig's Dir!" - GELBE Ampelphase. Der junge Hund hat noch die Chance, sich demütig und ungestraft abzuwenden. Vielleicht beschwichtigt er jetzt und geht auf Distanz.
Nimmt er den Alten aber immer noch nicht ernst und geht, wenn auch etwas unsicher und demütig, weiter auf ihn zu, wird dieser sicher nicht damit zufrieden sein, dass er den Kleinen etwas abgebremst hat. Nein, er wird seine Drohung ernst machen. Wahrscheinlich folgt eine schnelle Bewegung auf den Jungspunt zu und ein Zwicken, was durchaus weh tun soll. Fangumfassen oder unsanft auf den Rücken drehen kommt auch vor. Der Jungspunt wird schreien und, wenn möglich, flüchten – ROTE Ampelphase.
Während der zurechtgewiesene Jungspunt nun in gebührender Distanz noch ein wenig vor sich hin leidet, legt sich der alte Hund in aller Ruhe wieder auf sein Lager. Die Ruhe überträgt sich auf das Jungtier. Wahrscheinlich wird es auch einschlafen.
Wenn der Jungspunt das nächste Mal den Unmut des alten Hundes erregt, wird nach dieser Erfahrung wahrscheinlich schon Ampelphase GRÜN ausreichen, um ihn zu korrigieren. So wird der alte Hund wahrscheinlich nicht wollen, dass der Jungspunt ihn auf einem Spaziergang überholt. Akzeptiert dieser die Regel, wird der Alte mit dem Respekt zufrieden sein und ihn vielleicht zum Spielen auffordern oder sogar dessen Spielaufforderung nachkommen.
Der alte Hund schränkt den jungen also zunächst in seiner Bewegungsfreiheit ein und fordert ggf. über das Ampelsystem Respekt ein. Bekommt er genügend Respekt in allen ihm wichtigen Bereichen entgegengebracht, zeigt er Sympathie und lässt Sozialkontakt zu. Bis dahin können zwei Wochen vergangen sein. Instinktnormale Hunde kommen so mit einem Minimum an Aggressionsverhalten untereinander klar.
Menschen zeigen dagegen oft noch eine ganz andere Phase, nennen wir sie die SCHWARZE Phase, die hochemotional und oft richtig aggressiv ist. Zu dieser kommt es, weil sie nicht gelernt haben, die hundlichen Ampelphasen angemessen anzuwenden. Sie zeigen dem zu korrigierenden Hund GRÜN, GRÜN, GRÜN, GRÜN, GRÜN, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, GELB, SCHWARZ.
Ihnen platzt irgendwann der Kragen, da der "blöde Hund" sie anscheinend nicht verstehen will. Es folgt irgendeine völlig überzogene Reaktion wie mit der Leine wegreißen, draufhauen, anbrüllen, was auch immer, was dem Hund nicht etwa Respekt einflößt, sondern ihm beweist: "Dieser Mensch kann kein Chef sein. Der ist so unberechenbar, dass ich mich nicht auf ihn verlassen kann!" Armer Hund. Er wird weiterhin alleine entscheiden müssen, was in welcher Situation das beste ist.
Dass angeleinte Hunde oft aggressiver, ängstlicher oder zumindest aufgeregter auf nahende Fremde und deren Hunde reagieren, liegt nicht zuletzt daran, dass sich Hunde von selbst grundsätzlich nie direkt aufeinander zu bewegen. Haben sie friedliche Absichten, nähern sie sich auf einem Bogen oder spiralförmig. Sie weichen sich also zunächst einmal aus. Das direkte Ansteuern wird als Angriffs-Signal gewertet. Deshalb ist es manchmal hilfreich, gerade bei noch unsicheren Hunden, wie meiner damals zweijährigen Belana, wenn es eng wird, Ausweichmöglichkeiten einzuräumen. Eine entsprechende Situation beschrieb ich in ihrem Tagebuch am 15.8.1999:
"...Als sich Gewitterwolken näherten, versammelten wir uns mit anderen Spaziergängern und deren Hunden in einem Unterstand, um den Schauer abzuwarten. Belana sauste jedem dazukommenden Hund entgegen und begrüßte ihn mit viel Rawau. Bei Aron musste ich ein bisschen darauf achten, dass er fremden Rüden gegenüber friedlich blieb. Als der Unterstand dicht besetzt war, zog ich es vor, Aron zu mir zu rufen und festzuhalten. Es erschien mir am sichersten, obwohl er bis dahin nicht unfreundlich wirkte. Hätte ich Belana festgehalten, hätte sie wahrscheinlich die ganze Zeit über gekläfft. So konnte sie ausweichen und war wenigstens zeitweise ruhig..."
Ein weiteres Beispiel (Tagebuch-Eintrag vom 23.9.1999):
"...Auf dem Rückweg trafen wir den Schäferhund von gegenüber, Arons Lieblingsfeind. Sowie er uns bemerkte, wurde er von seinem Frauchen auf die Parkwiese beiseite genommen und in die Platzlage gezwungen. Sie hatte große Mühe, ihn einigermaßen ruhig zu halten. Ich ließ meinen Hunden heute möglichst viel Leine, statt sie bei Fuß zu halten. Platz war genug da und solange der Schäferhund sich ruhig verhielt, befolgten Aron und Belana mein leises, wiederholtes 'Ruh!'. Ich lobte sie für ihre Bravheit. Als der Schäferhund dann doch einmal kurz böse aufbellte, antworteten Aron und Belana entsprechend. Mit einem Leinenruck und einem lauteren 'Ruh!' war die Ruhe wieder hergestellt. Ich lobte sie sofort wieder für ihre Bravheit: 'So ist's fein, brave Hunde!' Ich hatte mit Schlimmerem gerechnet. Wenn wir dem Schäferhund das nächste Mal begegnen, werde ich meinen Hunden wieder die Leine möglichst lang lassen. Sie wissen längst, dass ich es nicht schätze, wenn sie jemanden anbellen oder anfletschen. Eingeengt in die Bei-Fuß-Position fühlen sie sich weit mehr bedroht als relativ frei beweglich mit Ausweichmöglichkeit."
Friedfertigkeit bedeutet im Zusammenhang mit Hunden eine "hohe Reizschwelle". Die Reizschwelle ist die Toleranzgrenze, bis zu der ein Hund friedlich bleibt und ab der er auf einen ihm unangenehmen Reiz aggressiv reagiert. Sie ist zum Teil angeboren und z. T. anerzogen. So sollte man seinem Hund durchaus alles wegnehmen können, was er im Moment gerade hat. Sei es Futter, Spielzeug, der Platz auf dem Sofa oder was auch immer. Menschen gehören auch in solchen Situationen nicht attackiert. Dies ist eine Frage der Übung unter kontrollierten bzw. kontrollierbaren Bedingungen.
Meinen Hunden habe ich von Anfang an jede Aggression verboten. Trotzdem gab es ausnahmsweise Kämpfe mit fremden Hunden sowie interne Rangordnungs-Streitereien, die ich allerdings auch immer gleich unterbunden habe. Die Streitlust der Heranwachsenden ist verflogen. Das Miteinander unserer jetzt 5- bis 16-Jährigen ist harmonisch und absolut friedlich.
Das Spielen mit anderen Hunden ist besonders für Welpen und junge Hunde wichtig. Sie lernen im Spiel mit anderen Hunden hundetypische Verhaltensweisen kennen und bewegen sich hundgemäß. Durch das Verhalten des Spielpartners ergibt sich die Beißhemmung. Zieht sich der Partner zurück oder beißt wütend zurück, hat der Welpe sich zu grob verhalten. Da er lieber weiter spielen möchte, wird er das nächste Mal vorsichtiger im Umgang mit dem Spielgefährten sein. Auch im Umgang mit älteren Hunden bleibt es nicht unbedingt immer beim freundlichen Spiel. Manchmal wird ein übermütiger Hund, der sich falsch verhält, auch mal von einem Stärkeren böse niedergedrückt oder auf den Rücken geworfen und untergeordnet. Dies geschieht, indem der Überlegene den Aufmüpfigen am Hals greift oder umrempelt, also hinlegt und mit der Kehle am Boden hält, bis der Widerstand aufgegeben wird (Alphawurf). Obwohl es gefährlich aussieht, passiert dabei meistens nicht viel. Die Hunde werden leider oft in solchen Situationen durch hysterisch kreischende Menschen zusätzlich in Rage gebracht. Wer nicht genau weiß, wie er in einen Hundekampf einzugreifen denkt, sollte sich in einer sich anbahnenden gefährlichen Situation lieber ostentativ den Hund rufend entfernen, als hin zu eilen und dem Hund damit Verstärkung zu signalisieren.
Viele Hunde fallen im Straßenbild durch das Anpöbeln fremder Hunde oder Menschen unangenehm auf. Dieses Ankläffen beruht oft auf Angst gegenüber dem Fremden und ist schwer zu korrigieren, solange diese Angst nicht abgebaut wird. Hunde, die in ihrer Jugend viele fremde Hunde als Spielkameraden kennen gelernt haben und die gut auf verschiedene Menschen geprägt sind, zeigen viel seltener solches Verhalten.
Andererseits kann das Pöbeln eine zu schwache Führung und Dominanz auf der Seite des Hundes verraten. Dann ist es vielleicht mehr Übermut, Kampflust und Angeberei als die Erwartung, sich und den Hundeführer verteidigen zu müssen. In solchen Fällen muss der Hundeführer energischer und mutiger werden. Konsequentes einfordern von "Hinter mir!" ist oft eine Hilfe. Der Besuch einer guten Hundeschule ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Spielphasen mit anderen Hunden dürfen unsere Spiele mit ihnen nicht ersetzen. Schließlich möchten wir unsere Hunde auf uns konzentrieren. Sie ergänzen sie aber sinnvoll. Bei ihren Jagdspielen könnten wir ohnehin nicht mithalten.
Raufspiele unter jungen Hunden zeigen, wer der Stärkste ist und legen so die Rangordnung fest. Solche Spiele verdeutlichen uns immer wieder Rasseunterschiede im Wesen der Tiere. So konnte ich in der Baby- und Jugendphase meiner Collies beobachten, dass diese im Spiel selten knurrten oder grob wurden, während sich junge Deutsche Schäferhunde viel aggressiver gegeneinander behaupteten. Und so endeten Spiele zwischen Collie und Schäferhund auch meistens damit, dass der Schäferhund eindeutig Sieger blieb. Schäferhunde sind stärker und oft sehr rauflustig. "Kampftrieb ausgeprägt" hieß das früher auf den Hundeplätzen. Dies führte nun wiederum dazu, dass meine Collies an Spielen mit diesen Hunden, aber auch an Spielen mit Vertretern anderer "harter" Rassen im Allgemeinen schnell den Spaß verloren. Gladess zog sich dann grundsätzlich zu mir zurück. Bei Aron musste ich aufpassen, dass er aus dem Spiel, das ihm zu verletzend wurde, nicht Ernst machte. An Jagdspielen mit anderen schnellen Hunden haben Collies dagegen viel Spaß. Raufspiele sind generell nicht ihr Ding.
Wenn Sie noch vor der Anschaffung eines Hundes stehen, rate ich Ihnen, sich umfassend über die Wesensmerkmale zu informieren, die für die einzelnen Rassen charakteristisch sind. Es gibt über 400 unterschiedliche Rassen, die Sie natürlich nicht alle kennen müssen. Vergleichen Sie aber zumindest die Eigenschaften, die der Rasse zugesprochen werden, die Sie sich ausgesucht haben, mit dem, was Sie von Ihrem Hund erwarten. sein Sie ehrlich mit sich selbst und suchen Sie ggf. nach Alternativen.
Bedenken Sie bitte, dass jede Hunderasse von ihren Freunden, meist Züchtern, beschrieben wird. So muss man ein wenig zwischen den Zeilen lesen können und raten, was an unangenehmen "Nebenwirkungen" dazukommen kann. Sehr "sensible" Hunde, wie Collies und Shelties, können bei zu harter Erziehung leicht scheu oder ängstlich werden bzw. bleiben. "Sehr mutige" Hunde brauchen dagegen eine stärkere Hand und mitunter deutlichere negative Einwirkungen. Darüber hinaus gibt es natürlich individuelle Unterschiede. So war meine sanftmütige Gladess in ihrem Wesen sehr viel Collie-typischer, als der draufgängerische Aron, der schon in seinem Welpenrudel unter sieben Geschwistern mit wenigen Wochen der Dickste und Stärkste war. Die Beobachtung der Geschwistergruppe, aus der man einen Welpen angeboten bekommt, ist auch vor diesem Hintergrund sehr interessant. Welcher Welpe wirkt dominant, welcher eher zurückhaltend?
Darüber hinaus bitte ich Sie, ihre eigenen Kräfte realistisch einzuschätzen. Sie müssen in schwierigen Situationen in der Lage sein, Ihren provozierten, provozierenden oder in Panik geratenen Hund an der Leine oder am Halsband festzuhalten. Schmächtige Kerlchen mit umso mächtigeren, aggressiven Rottweilern an der Hand wirken oft so, als sei die nächste Katastrophe nicht weit. Wenn die Tiere dann wenigstens gut erzogen wären! Bei einer bestimmten Gruppe von Hundehaltern, die sich den Hund bereits nach dem Kriterium "grimmig soll er aussehen und Respekt einflößen!" ausgesucht haben, hängt das psychische Problem initial mehr am oberen Ende der Leine. Das wäre alles nicht so schlimm, gäbe es nicht z. T. schreckliche Beißunfälle mit deren Hunden! Mit dem Verbot einzelner Hunderassen kommt man hier nicht weiter. Man müsste dann schon alle mittelgroßen und großen Hunde verbieten. Das wäre ein für viele Menschen sehr trauriger kultureller Verlust. Dabei haben wir längst genug Gesetze zum Schutz vor gefährlichen Hunden. Sie müssten nur vollzogen werden. Leider verlaufen Anzeigen gegen Hundler, deren Hunde als aggressiv auffielen, meist solange im Sande, wie niemand ernsthaft zu Schaden kam.
Einige für den Pit gezüchtete Kampfhund-Linien haben durch ihre Zucht eine so starke Aversion gegenüber gleichgeschlechtlichen Hunden, dass sie zumindest in Gegenwart solcher nie frei laufen dürfen. Es soll Zuchten gegeben haben, in denen regelmäßig die Mütter in den ersten Tagen nach einer Geburt vom Wurf entfernt werden mussten, weil sie sonst ihre Welpen zerbissen hätten. Mit solchen Hunden hätte nie gezüchtet werden dürfen! Zum Schutz der vielen gut sozialisierten und verhaltensnormalen Vertreter solcher Rassen möchte ich allerdings hinzufügen, dass solche Zuchtlinien auch bei so genannten Kampfhunden die absolute Ausnahme waren. Im Gegenteil, die meisten Vertreter solcher Rassen, die ich bisher kennen lernte, hatten durch ihre Schmerzunempfindlichkeit und das grundsätzlich sehr grobe Spiel mit Artgenossen eine weit höhere Reizschwelle als bspw. meine sensiblen Collies, die im Spiel mit anderen Hunden sehr sanft sind und u. U. einen im Spiel zugefügten Schmerz als böse Absicht und Kampfansage missinterpretieren.
Zu den natürlichen Verhaltensweisen gehört auch, dass sich ein erwachsener Hund mit einigen gleichgeschlechtlichen Artgenossen der Nachbarschaft möglicherweise nicht mehr verträgt. Hier hilft in der Regel nur eines: Festhalten beim Vorbeiführen. Eine Rauferei würde möglicherweise Tierarztkosten oder gar bleibende Schäden nach sich ziehen, ist also unerwünscht. Ob eine Rauferei geeignet wäre, die Streitigkeiten beizulegen, zumindest unter Rüden, sollte nicht weiter ergründet werden. Ist erst einmal klar, wer stärker ist, so wird mitunter argumentiert, ordnet sich das unterlegene Tier wahrscheinlich unter und die Streitereien entfallen demnächst. Ich rate von solchen Kämpfen ab. Wir können nicht unbedingt von instinktsicheren Hunden ausgehen, die dem sich ergebenden Hund gegenüber eine angemessene Beißhemmung zeigen. Mir sind traurige Beispiele von Hunden in Erinnerung, die seit einem solchen Kampf zum Beispiel ein Auge weniger haben. Dass zwei Hündinnen aneinander geraten, kommt zwar seltener vor, ist aber umso gefährlicher. Hündinnen kämpfen oft im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod, jedenfalls verletzend. Solche Kämpfe sind also im Vorfeld zu unterbinden. Beim Trennen bereits kämpfender Hunde sollte man bedenken, dass schon manch ein Hundebesitzer selbst dabei Finger eingebüßt hat! Auf keinen Fall dürfen die ineinander verbissenen Tiere auseinander gezogen werden. Man reißt damit erst recht große Wunden auf. Stattdessen ist es sinnvoller, die Tiere zusammen zuschieben, denn das löst einen Reiz aus, der zum Ausspucken führt. Kein Opfer "will" in das Maul des Angreifers hinein – Widerstand in Form von Ausspucken ist die Folge. Das ist der Moment, in dem die Tiere zu trennen sind.
Oft existieren die Feindseligkeiten auch nur, weil mindestens einer der Hunde an der Leine gehalten wird. Begegnen die Hunde sich unangeleint, passiert bei gut sozialisierten Hunden meistens nichts. Dies soll nun nicht dazu einladen, unsichere Kandidaten freizulassen, weil man hofft, dass dann nichts passiert. Sicherer ist es i. d. R., beide Hunde angeleint mit gebührendem Abstand aneinander vorbei zu führen.
Ob die angeleinten Hunde sich mit ihrem Frauchen oder Herrchen an der Leine besonders stark fühlen und sich deshalb mehr trauen oder ob sie sich durch die Leine in ihrer Freiheit so stark eingeengt sehen, dass sie meinen, umso schärfer andere Hunde wegbellen oder -beißen zu müssen, will ich hier nicht ergründen. Tatsache ist, dass es einer sehr konsequenten Bei-Fuß-Dressur bedarf, um einen Hund an einem verfeindeten Hund vorbeizulenken, ohne dass er an der Leine zieht oder sich böse in die Leine wirft.
Mein Hund Aron ließ sich mit einem Jahr auch unangeleint zu Fuß oder am Fahrrad bei Fuß an seinen Feinden vorbeilenken, hüpfte dabei aber noch auf und nieder und bellte böse. Das Kommando "Fuß!!!" musste ich dafür besonders tief und drohend aussprechen. Trotzdem gab es auch bei Aron manch einen spannenden Moment, wie z. B. der folgende Bericht zeigt (Tagebuch-Eintrag vom 20.4.2000):
"Als wir gerade den Park verließen, gab es einen kleinen Zusammenstoß zwischen Aron und einem ebenso dominanten American Bulldog-Rüden, der frei am Fahrrad geführt wurde. Er ließ sich erst an uns vorbei dirigieren, kam dann aber zurück, um Aron anzustänkern. Da war er an der richtigen Adresse! Aron knurrte kurz, drehte die Rute hoch und im nächsten Moment hatten sie sich in den Haaren. Die kleinen Hündinnen sausten aufgeregt kläffend um uns herum. Ich konnte Aron an der Mähne festhalten und auf die Hinterläufe aufrichten, so dass er den Bulldog erst einmal fallen ließ. Dessen Frauchen kam etwas unsicher dazu, griff sich ihren Hund und leinte ihn an. Wir stellten fest, dass beide unverletzt waren, meinten so was wie 'Ja, ja, unsere Jungs!' und trennten uns freundlich. Unsere gute Stimmung war sicher der Grund, warum sich meine Bande und der Bulldog ebenso spontan beruhigen ließen, wie sie sich aufgeregt hatte."
Außerhalb des eigenen Reviers war Belana immer freundlich zur Schäferhündin Bescha, in der Wohnung galt das nicht (Tagebuch-Eintrag vom 29. und 30.4.2001):
"Meine Schwester ist mit Ehemann und zwei Hunden, Bescha und Benni, zu Besuch. Die Begrüßung der Schäferhündin durch Belana war mehr als unfreundlich. Obwohl Belana Bescha seit ihrer Welpenzeit kennt, wollte sie sie nicht ins Wohnzimmer lassen und rupfte ihr wütend flockenweise Haare aus der Mähne. Wir schafften es, die beiden zu trennen, als die überraschte Bescha gerade mit ihrer Verteidigung beginnen wollte. Das hätte was werden können... Wir beschlossen, die Hunde getrennt voneinander zu halten. Also zogen Bescha und Benni ins Gästezimmer und wir hielten die Tür zum Wohnzimmer geschlossen. Sicher steigert die aktuell gespannte Situation mit der heißen Tochter Anjin Belanas Angriffslust. Andererseits hatte sie es noch nie nötig, in diesem neuen Revier eine fremde Hündin zu dulden. Offenbar will sie als Alphahündin unseres Rudels für die territoriale Verteidigung sorgen, wenn schon Aron es nicht tut - er heißt eher Hündinnen als Rüden herzlich willkommen. Aron ist untergeordneten Rüden gegenüber tolerant, wäre aber möglicherweise früher oder später mit dem ähnlich dominanten Benni zusammengestoßen, wenn wir nicht für die räumliche Trennung gesorgt hätten. Wir wissen jetzt, worauf wir gefasst sein müssen, wenn uns mal wieder jemand mit Hund besuchen möchte."
"Mit meiner Schwester und ihrem Mann hat Belana kein Problem. Auch den Rüden Benni hätte sie akzeptiert. Nur zu Bescha dürfen wir sie nicht mehr hin lassen. Das zeigte sich erneut, als Bescha und Benni mal kurz mit ins Wohnzimmer kamen und Belana unerwartet früh vom Freigehege zurückkehrte. Belana ging wieder sofort wütend auf Bescha los, die diesmal spontan aggressiv reagierte. Wir trennten sie rechtzeitig, bevor eine der anderen einen Schaden hätte zufügen können. Nein, hier ist kein Platz für eine fremde Hündin, findet Belana."
Nachträgliche Anmerkung: So dominant sollten Hunde eigentlich nie werden. Als wir die damals 3-jährige Rhodesian Ridgeback-Hündin Kira zur weiteren Vermittlung übernahmen, mussten meine eigenen Hündinnen akzeptieren lernen, dass es Frauchens Ernst ist, dass diese fremde Hündin nun bis auf weiteres zum Rudel gehört. Dafür musste ich anfangs gelegentlich recht grob dazwischen gehen, wenn Belana mit ihren Töchtern gemeinsam einen Angriff auf das neue Familienmitglied startete.